
Originaltext in Deutsch: RusslandInsider
Wir sprechen mit Alex Buel, Chef des Beratungsunternehmens GMA Consult Group, über die Potenziale der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) für westliche Unternehmen und beleuchten, was Handelsunternehmen bei Importen und Produktzertifizierungen wissen sollten.
Herr Buel, Ihr Unternehmen ist weltweit tätig. Was zeichnet die GMA Consult Group aus und welche Leistungen bieten Sie Ihren Kunden?
Wir beraten unsere Kunden bei der Einführung von Elektroprodukten auf den Weltmärkten. Lange Zeit wurde diese Tätigkeit mit dem Begriff „TIC“ – Testing, Inspection, Certification – bezeichnet. Um den modernen Realitäten und Marktanforderungen gerecht zu werden, wurde dieser Begriff um einen weiteren Buchstaben erweitert: „CTIC“, wobei der Buchstabe „C“ für Consulting steht. Es ist kein Geheimnis, dass Wissen für fast jedes Unternehmen in jeder Branche das Erfolgsgeheimnis darstellt.
Unsere tägliche Arbeit besteht darin, Wissen im Bereich der globalen Konformitätsbewertung zu sammeln und unseren Kunden anzubieten. Wir beraten sie in Bezug auf alle Produktlebenszyklen, organisieren Produkttests in Partnerlaboren weltweit, führen Produktinspektionen durch und stellen alle erforderlichen Dokumente bereit, um sicherzustellen, dass die in bestimmten Ländern vertriebenen Produkte unserer Kunden die Anforderungen für einen reibungslosen Import und Verkauf erfüllen. Unser Hauptvorteil liegt im Einsatz fortschrittlicher Technologie und unserer Mobilität, die beide auf die Anforderungen der heutigen Wirtschaft abgestimmt sind. Zu diesem Zweck haben wir beispielsweise unsere eigene Softwarelösung, das GMA-Portal, entwickelt, das unseren Kunden eine effektive Interaktion mit unserem Team ermöglicht.
Welche Herausforderungen sind Ihnen beim Import und Export in diesen spezialisierten Geschäftssegmenten aufgefallen?
Die Welt entwickelt sich heute rasant, die Bedürfnisse der Menschen ändern sich ständig, neue Technologien entstehen. Die größte Herausforderung für den Hersteller besteht darin, mit dem Fortschritt Schritt zu halten und zum richtigen Zeitpunkt mit dem richtigen Produkt auf den Markt zu kommen. Die zweite Herausforderung betrifft das regulatorische Umfeld, das sich ebenfalls schnell ändert. Um in einen bestimmten Markt eintreten zu können, muss der Hersteller die Anforderungen des Zielmarktes im Voraus kennen – für einen Monat, ein Jahr oder sogar für die kommenden Jahre. Die Analyse und Systematisierung der enormen Informationsflut erfordert eine wichtige Ressource, eine klare Systematisierung und Verteilung des Wissens. Fehler und das Verpassen von Änderungen oder Innovationen auf dem einen oder anderen Markt können sehr teuer werden.
Schwierigkeiten entstehen oft, wenn die Kompetenz der Subunternehmer für einen effektiven Interaktionsprozess nicht ausreicht. Wir haben Situationen erlebt, in denen Subunternehmer Schwierigkeiten hatten, als Informationsvermittler zu fungieren, einfach weil sie das Fachvokabular nicht verstanden. Aus der Perspektive der nichttarifären Regulierung sehe ich die größten Herausforderungen beim Import und Export von Produkten daher nicht in mechanischen Hindernissen, sondern in einer ineffizienten Prozessorganisation, die meist auf die Wahl der falschen Partner zurückzuführen ist.
Was würden Sie ausländischen Unternehmen raten, die daran interessiert sind, ihre Produkte in die EAWU zu exportieren und dort zu zertifizieren?
Der EAWU-Markt birgt nicht nur enormes Potenzial, sondern ist auch durch vielfältige Veränderungen im Bereich der nichttarifären Regulierung gekennzeichnet. Insbesondere die Bereiche Konformitätsbewertung und Zertifizierung erleben einen regelrechten Boom. Vor einigen Jahren war der Markteintritt in Russland noch nahezu problemlos. Die erforderlichen Dokumente konnten ohne aufwändige Überprüfung und Produktionskontrolle beschafft werden, und Tausende von Organisationen boten die Beschaffung dieser Genehmigungen an. Heute ist die Situation grundlegend anders. Wir empfehlen jedem Unternehmen, das seine Produkte in EAWU-Länder exportieren und dort zertifizieren lassen möchte, die geltenden Bestimmungen unbedingt einzuhalten und kompetente Partner auszuwählen, die mit den regulatorischen Feinheiten bestens vertraut sind.
Welche Änderungen gab es in den letzten Jahren im Bereich der nichttarifären Regulierung innerhalb der EAWU?
Insbesondere in den letzten zwei Jahren wurde der Markt von unseriösen Akteuren regelrecht ausgelöscht, die die Zahl der Zertifizierungsstellen reduzierten und die Akkreditierungskriterien verschärften. So wurde beispielsweise für Produkte, die außerhalb der EAWU hergestellt werden, eine obligatorische Konformitätsbewertung eingeführt und die Anwesenheit eines bevollmächtigten Vertreters des ausländischen Herstellers vorgeschrieben. Dieser Vertreter fungiert als Antragsteller des Konformitätsbewertungsverfahrens und übernimmt die Verantwortung für die Konformität der Produkte mit den spezifischen Anforderungen. Darüber hinaus werden ab 2021 alle Konformitätserklärungen nur noch von den bevollmächtigten Vertretern mittels digitaler Signatur registriert. Den Zertifizierungsstellen wird dadurch das Recht entzogen, Erklärungen gemäß den Anträgen des Herstellers in das einheitliche Register einzutragen.
Unseren Prognosen zufolge wird das System der technischen Regulierung in den EAWU-Ländern in den nächsten zwei bis sechs Jahren weitere Transformationen durchlaufen, wobei es in seiner endgültigen Form dem europäischen System der Konformitätsbewertung ähneln wird.
Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten zu lösenden Probleme? Welche Rolle spielt die Konformitätsbewertung als nichttarifäres Regulierungsinstrument in diesem Zusammenhang?
Man muss verstehen, dass die nichttarifäre Regulierung im Kern eine Barriere schafft. Ein Zertifikat an sich ist ein Hindernis für Unternehmen. Andererseits hat jeder Staat natürlich das Recht, die Gesundheit seiner Bürger zu schützen, einschließlich der Vermeidung von Schäden durch die Verwendung gefährlicher und minderwertiger Produkte. Die Hauptaufgabe liegt nicht in der Regulierung des Konformitätsbewertungssystems, sondern im Aufbau eines wirksamen Marktüberwachungssystems. Wenn Verstöße gegen diese Regeln nicht geahndet werden, werden selbst die seriösesten Unternehmen sie mit der Zeit ignorieren.
Mit welchen Schwierigkeiten sind Ihre Kunden aufgrund des Corona-Ausbruchs konfrontiert worden?
Natürlich hat die Corona-Pandemie auch die TIC-Branche in gewisser Weise betroffen. Unsere Kunden sind Hersteller nicht lebensnotwendiger Produkte, und es ist verständlich, dass ihr Umsatz während der Krise deutlich zurückgegangen ist. Darüber hinaus waren in einigen Ländern die Konformitätsbewertungsverfahren mit zusätzlichen obligatorischen Produktprüfungen verbunden, die aufgrund der geschlossenen Grenzen entweder schwierig oder unmöglich geworden sind. Hersteller und Importeure sind durch zusätzliche Zollkontrollen und -inspektionen noch stärker in Schwierigkeiten geraten. Ein weiteres Problem während der Pandemie war die Organisation der Arbeit im Remote-Modus. Inzwischen hat die Mehrheit unserer Kunden diese Herausforderung erfolgreich gemeistert, und die Prozesse sind auch im Remote-Modus sehr gut organisiert.
Welche Zukunftsperspektiven sehen Sie hinsichtlich der Marktentwicklung in Ihrem Tätigkeitsbereich und allgemein für die russische Wirtschaftsentwicklung?
Der Markt für Konformitätsbewertungsdienstleistungen entwickelt sich in Richtung Wissensqualität und Prozessorganisation. Wer über die Informationen verfügt und sie auch zu nutzen weiß, ist klar im Vorteil. So kann beispielsweise eine gute Kenntnis des jeweiligen Marktes die Anzahl notwendiger Produktprüfungen deutlich reduzieren oder wiederholte Besuche von Experten aus verschiedenen Ländern in den Produktionsstätten vermeiden. Die Kenntnis der Produktanforderungen, lange bevor diese verbindlich werden, ermöglicht es dem Hersteller, sich einen Wettbewerbsvorteil zu sichern und gleichzeitig seine Produkte frühzeitig auf die neuen Anforderungen vorzubereiten.
Wie bereits erwähnt, bietet der EAWU-Markt großes Potenzial und wird sich mit Sicherheit positiv entwickeln. Alle EAWU-Mitglieder sind Transformationsländer, und ihre Entwicklung geht im Allgemeinen mit einer steigenden Nachfrage nach Importprodukten aus dem Ausland einher. Dies gilt insbesondere für Technologieprodukte wie Haushaltsgeräte, Audio- und Videogeräte sowie Telekommunikationsprodukte. Dieser Sektor wird auch in Zukunft ein enormes Potenzial bieten.
Die Fragen stellten Frank Ebbecke und Dimitri Kling. Veröffentlicht am 26. November 2020 (RusslandInsider #23)

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